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Namaste!
Heute, am fünften Tag, wachen wir zu einem besonderen Erlebnis auf: Zum ersten mal sehen wir, trotz Monsoon-Saison, die schneebehangenen Berge des Himalaya. Oben im Foto durch den dichten Dunst zu erkennen. Es ist keine Touristensaison, in den Sommermonaten zur Monsoonzeit regnet es nicht nur häufig, sondern die Sicht ist auch immer wieder durch Wolken verdeckt.
Zum Frühstück werfe ich einen Blick in die örtliche Wochenzeitung – die Himalaya Times. Neben Berichten zur momentanen politischen Situation in Nepal und der Welt, fällt eines ins Auge: Eine Seite zum Thema „Millenial Teens“. Die Existenz einer globalen Weltkultur an der wir alle teilhaben ist selten so offensichtlich:
Mit genau solchen Teenagern – und auch älteren Azubis – treffen wir uns auch heute. Wir halten einen Vortrag über Deutschland, das BBW, ENSA und die Ziele des Schulaustauschs und beantworten und stellen Fragen an die Auszubildenden.
Björn und Ich halten dabei den Vortrag, stellen und beantworten die Fragen. Wir erklären auch den Schüler*innen warum: Bei dem Austausch soll es um Interaktionen zwischen uns gehen, nicht um Anleitung durch unsere Lehrerinnen und Lehrer. Arun, der Direktor der Berufsschule, fügt scherzend hinzu: „So, you will have to talk yourselves when in Germany. Your teachers won’t do the talking for you!“
Zunächst fragen wir erst einmal, was die Nepalesen über Deutschland und unsere Schule wissen. Um die Schüchternheit zu überwinden sage ich auch nochmal in den Raum: „There are no wrong answers!“ Die erste Antwort die danach von einem der Schüler kommt, ist allerdings bedauerlich – Adolf Hitler. Beschämendes Gelache, der Direktor stellt noch einmal klar: „No, Hitler, that’s finished.“ Ich sage in die Runde: „We are really not proud of that one.“ Danach findet sich zum Glück noch die andere Sache für die Deutschland hier bekannt ist: „Football“ „The World Cup“. „Yeah, I guess we are proud of that one“, gebe ich zu verstehen.
Da also sehr wenig bekannt ist, beginnen wir mit den absoluten Grundlagen, ich zeichne schnell aus dem Gedächtnis eine Deutschlandkarte an das Whiteboard, erkläre wo Meer liegt, wo welche Nachbarstaaten liegen, und weil es auf Interesse stößt, wo die Grenze zwischen BRD und DDR verlief. Danach stelle ich kurz die Intentionen des ENSA-Austauschs und die Struktur des BBW vor und Björn berichtet über Struktur und Aufbau von Ausbildungen in Deutschland. Immer wieder übersetzt Arun in Nepali was wir auf Englisch sagen. Zwar sprechen die meisten Jugendlichen hier ein bisschen Englisch, aber nicht genug um dem Vortrag sicher zu folgen.
Danach stehen wir offen für eine Fragerunde. Es dauert eine Weile, bis die Azubis sich trauen Fragen zu stellen, wozu ihre Ausbilderinnen und Ausbilder sie wiederholt animieren. Die meisten Fragen gehen dabei klar in die Richtung: Wie sieht eine Ausbildung in Deutschland und am BBW aus? Wie ist die Geschlechterverteilung in den Berufen? Wäre es möglich eine Ausbildung in Deutschland zu machen?
Wir stellen daraufhin unsere Fragen, welche die Schüler*innen der Hallo-Welt-AG uns mitgegeben haben. Dabei entsteht ein kurzer Überblick: Man isst zu Hause oder im Hostel in dem man während der Ausbildung untergebracht ist. Zur Schule kommt man mit dem Bus, welcher der Schule selbst gehört. Die Fahrt dauert 20-30 Minuten. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es, regulär kommt jede halbe Stunde ein Bus. Nach der 3-Monatigen Ausbildung wollen fast alle kurz Arbeiten und dann die 9-Monatige Level-2-Ausbildung machen. Einer der Schüler gibt an, in der Fabrik seines Bruders arbeiten zu wollen. Etwa die Hälfte ist unter, die andere über 20 Jahre alt. Jeder hat ein Smartphone, aber nur sehr wenige haben Zugang zu anderen Geräten wie einem PC oder Laptop.
90% sind Hindu, 5 Buddhisten und 5 Christen sind auch an der Schule. Die Tatsache, dass es auch viele irreligiöse Menschen in Deutschland gibt ist etwas, das Arun zunächst gar nicht richtig versteht, er aber dann doch einordnen kann.
Am meisten freut uns aber, dass bei der Frage wer Interesse hätte sich mit deutschen Schüler*innen auszutauschen, sofort einige Hände in die Luft gehen: Über 10 Interessenten melden sich sofort, von der Stimmung im Raum ist davon auszugehen, dass noch mehr vielleicht noch zu schüchtern waren. Arun verspricht uns eine Liste mit E-Mail-Adressen aller Interessent*innen.
Nach einem Mittagessen nutzen wir die Zeit um auch einmal ohne Guide Kathmandu kenne zu lernen, auf der Fahrt in die Stadt kommen wir durchs Regierungsviertel. Interessant: Für Webseiten wird mit einfacher Flugblattwerbung geworben:
Schließlich verabschieden wir uns von unserem Fahrer und laufen durch die Straßen von Kathmandu. Dabei wollen wir uns einmal auf eigene Faust orientieren und ein paar Geschenke für zu Hause kaufen. Schnell wird uns dabei klar, dass wir uns gerade in einer Touristenstadt befinden: Schon nach wenigen Sekunden wird Björn von einer verdächtigen Person im Vorbeigehen angesprochen, ob er Magic Mushrooms kaufen möchte. Die Hippietouristen der letzten Jahrzehnte sind mit Sicherheit etwas, was Kathmandu geprägt hat.
Ich gehe an diesem Abend früh, schon kurz nach 9 ins Bett. Wer Nepal tiefer kennen lernen möchte, sollte dabei an die Jugend und ihre Alltagswelt, die Baustellen einer wachsenden Infrastruktur, die massiven Reformen zur Gleichstellung der Geschlechter und zum Aufbau eines Sozialsystems in den letzten Jahren denken. Nicht an die künstlich übetrieben exotische und souvenirgeprägte Welt, die Touristen präsentiert wird.
Namaste,
Harald!
Tolle Berichte,
danke dass ihr uns das so lebendig miterleben lasst
Ulrike Katzenberger
Hallo Harald,
Ihr Bericht vermittelt sehr lebendig, was Sie dort erleben. Spannend ist, dass Sie Nepal nicht nur als Tourist kennen lernen, sondern die Möglichkeit zu Begegnungen haben, die anderen Reisenden nicht möglich ist. Besonders interessant finde ich Ihren Bericht vom Gespräch mit den Auszubildenden.
Herzliche Grüße
Markus Rösch
Sehr spannend, sehr interessant – Glückwünsche zu euren Erlebnissen und Danke, dass wir das alles lesen können!